Ich war gestern als Teil des FSA-Blocks auf der #unteilbar-Demo in Berlin. Im Folgenden möchte ich kurz meine Eindrücke schildern. Zum besseren Verständnis muss ich dafür jedoch zunächst einen Sprung zurück machen.

Die Entscheidung, die FSA nicht als eigene Demo, sondern als Block innerhalb #unteilbar-Demo zu machen, fiel Anfang September mit folgender Begründung:

„Viele unserer potentiellen Bündnispartner.innen sind auch Teil der Demo #unteilbar. Einige regten an, dass wir uns unter dem Label #unteilbar zusammenfinden sollten, statt eine eigene Demo – eine Woche später – auf die Beine zu stellen. Es gab viele überzeugende Argumente, das zu tun, und natürlich spielte auch eine Rolle, dass zwei so große Veranstaltungen im Wochenabstand die meisten überfordern würde. Digitalcourage ist mit #unteilbar in mehrfacher Weise verbunden: Die Demo #unteilbar setzt sich, wie wir, für eine offene und freie Gesellschaft ein. Digitalcourage ist Mitglied im #unteilbar-Koordinierungskreis, betreut die Finanzen und den Versand des Mobilisierungsmaterials.“

Nachdem die Demo gestern gelaufen ist, und sich nach Medienberichten über 200.000 Menschen daran beteiligt haben, erhielt ich von Digitalcourage folgende E-Mail (Auszug):

„großartig – 242.000 Menschen sind heute mit uns in Berlin für eine freie und offene Gesellschaft auf die Straße gegangen! Unsere Demo #unteilbar war Thema auf allen Kanälen. Fast 500 Organisationen haben gemeinsam aufgerufen – über alle Unterschiedlichkeiten hinweg. Denn Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat können wir nur gemeinsam verteidigen. Ein riesiger, bunter Zug bewegte sich quer durch die Berliner Innenstadt. Wir haben unseren Digitalcourage-Lautsprecherwagen als Zaubereischule Hogwarts aus Harry Potter dekoriert – und Hermine Granger protestierte gegen „Voldemorts Polizeigesetze“. Sie wurde viele tausend Male fotografiert und gefilmt. Als die Spitze der Demo an der Siegessäule angekommen war, konnten die letzten Demonstrierenden gerade erst am Alexanderplatz losgehen. Bei der Abschlusskundgebung spielten Konstantin Wecker, Herbert Grönemeyer und viele andere. Diese Demo war ein großer Erfolg – nicht nur, weil viele Menschen zusammengekommen sind, sondern weil wir damit gemeinsam ein Zeichen gesetzt haben, sich von Hass, Angst und Destruktion nicht unterkriegen zu lassen. Freiheit statt Angst!“

Dazu muss ich sagen, dass ich diese Euphorie leider nur sehr bedingt teilen kann. Der FSA-Block war bedauerlicherweise winzig und ging deshalb völlig in der Masse der Teilnehmer unter. Insofern kann ich auch nicht erkennen, inwieweit die Entscheidung, die Demo gemeinsam mit der #unteilbar zu veranstalten, dem Kampf gegen Überwachung wirklich Vorschub geleistet hat. Wenn es überhaupt einen Vorteil gab, so bestand dieser darin, immerhin einen Redeslot auf der Bühne bekommen zu haben. Ein größeres mediales Echo für die Themen der FSA hat das aber allem Anschein nach bisher nicht gebracht.

Ansonsten war das Bild aus Sicht eines Liberalen, wie ich mich selbst bezeichnen würde, katastrophal. Der FSA-Zug lief irgendwo zwischen Linkspartei und MLPD. Während der Demo wurden wir laufend mit Sprechchören wie Lang lebe die Oktoberrevolution! oder Unteilbare Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes beschallt. Garniert wurde das Ganze mit Zitaten des bekannten Philanthropen Che Guevara. Beim Gang durch die Demo begegnete ich auch einem PKK-Sympathisantenblock und reaktionären Muslimen, die unter Anderem gegen Kopftuchverbote im öffentlichen Dienst protestierten. Andere Plakate waren in türkischer und arabischer Sprache, sodass ich ihren Inhalt nicht entnehmen konnte. Auch Initiativen gegen sogenannten „Hatespeech“ waren am Start. Später sah ich bei Twitter noch Videos eines Antifa-Blocks, der es wichtig fand eben nicht friedlich zu sein, sondern dieser Gesellschaft den Kampf an[zu]sagen und solche Schweine wie Seehofer und Merkel aus dem Amt [zu] jagen. Ich hoffe nicht, dass dies die offene und freie Gesellschaft ist, für die sich Digitalcourage gemäß der oben zitierten E-Mail mit einsetzen wollte.

Angesichts solcher „Partner“ muss man wohl beinahe von Glück sagen, dass der FSA-Block nicht wahrnehmbar war. Sicher: Bei der FSA waren immer schon schräge Vögel dabei – und das ist auch bis zu einem gewissen Maße okay so. Aber damals waren die die Minderheit. Heute sind wir Bürgerrechtler und Datenschützer es. Wen ich gar nicht gesehen habe, waren Leute vom CCC. Auch von den Piraten waren nicht halb so viele da, wie bei der Demo gegen die Uploadfilter vor anderthalb Monaten. Überhaupt habe ich nahezu keine „Techies“ wahrgenommen. Bekannten ging es ähnlich. Ein paar Leute vom FIfF allenfalls, und zwei vom Bündnis Brementrojaner. Von der Digitalen Gesellschaft habe ich nur einen Banner (unter vielen) an einem LKW gesehen. Freunde von mir hatten dies bereits vorhergesagt und blieben vorsorglich zuhause.

Ich beobachte die Situation ja schon länger. Ich war seit 2009 auf jeder FSA in Berlin und irgendwie ist die „Bewegung“ (sofern man davon überhaupt noch sprechen kann) von Mal zu Mal kleiner geworden. Darüber müssen wir als netzpolitische Szene reden. Warum gelingt es uns trotz massivster Angriffe auf die Freiheitsrechte (Stichwort: Polizeiaufgabengesetze) immer weniger, Menschen für unser (spezifisches) Anliegen zu mobilisieren? Ja warum gelingt es uns nicht einmal mehr, unsere eigenen Leute zu erreichen? In der Spitze hatte die FSA allein 25.000 Menschen auf die Straße gebracht. Wo sind denn die ganzen kreativen Nerds geblieben? Ich bin diesbezüglich zugegebenermaßen etwas ratlos. Über diesen Umstand kann jedenfalls auch nicht hinwegtäuschen, dass sich die FSA an eine andere Großdemonstration „rangehängt“ hat. Denn machen wir uns nichts vor: „Wegen der FSA“ waren gefühlt keine 500 Leute da. Und ich sage es ganz offen: Wenn die FSA nächstes Jahr wieder als Anhängsel eines solch „bunten“ Bündnisses antritt, werde auch ich nicht mehr dabei sein. Das finde ich zwar unendlich schade, weil ich das Thema unverändert für enorm wichtig halte, aber irgendwann muss auch ich mir eingestehen, dass das nicht mehr „meine“ Bewegung ist.

Foto: Ein Bild aus besseren Tagen (Screenshot der Sendung „ZDF heute“ vom 7. September 2013. Damals war ich mit einem Freund und meinem Vater in einem Beitrag zur FSA zu sehen.)