Stadtverordneter für Oranienburg – hier privat.

Von Auszubildenden, Studenten und falscher politischer Korrektheit

Die Stadtverordnetenversammlung von Oranienburg diskutierte am Montag, den 7. September 2020 über eine Zuwendungsrichtlinie, mit der Studenten und Auszubildenden künftig ein „Begrüßungsgeld“ in Höhe von 100 Euro angeboten werden soll, wenn sie ihren Hauptwohnsitz in die Kreisstadt verlegen.

Von Bündnis 90/Die Grünen kam in der Diskussion der Antrag, das Wort „Studenten“ durch „Studierende“ zu ersetzen. Mal abgesehen davon, dass sich die Kommunalvertretung wohl eher mit der inhaltlichen Ausgestaltung beschäftigen sollte, wäre diese Änderung falsch. Ich will gerne kurz erklären warum.

Das Partizip kennzeichnet in der deutschen Sprache die Gleichzeitigkeit von Handlungen. „Die Betriebsanleitung studierend, saß er vor dem Gerät.“ Ein Studierender ist demnach eine Person, die just in diesem Moment (oder aber permanent) etwas studiert – z. B. ein Professor seine Aufzeichnungen oder ein Stadtverordneter die Sitzungsunterlagen. Aber selbst der fleißigste Student ist nicht zu jeder Zeit studierend und natürlich sollten auch nicht all die genannten Personen antragsberechtigt sein. Gemeint waren vielmehr Studenten, also Personen, die an einer Hochschule eingeschrieben sind und gewohnheitsmäßig ihrem Studium nachgehen.

So fährt auch der Busfahrer nur während seiner Arbeitszeit einen Bus. Busfahrende hingegen bewegen sich gerade mit diesem fort – wobei unerheblich ist, ob sie den Bus selbst fahren oder nur als Fahrgast in ihm sitzen. Den „Reisenden“ gibt es hingegen nur als Partizipialkonstruktion, weil der Zustand, auf Reisen zu sein, bereits aussagt, dass man sich gerade fern ab des gewöhnlichen Heimatorts befindet – oder aber permanent reisend ist, weil man gar keinen festen Wohnort hat.

Warum aber ist die Bezeichnung „Auszubildende“ dann in diesem Zusammenhang korrekt? Die Erklärung ist einfach. Personen in Ausbildung sind in dieser Zeit Auszubildende, weil sie noch nicht über alle notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse ihres Fachs verfügen. Das Partizip drückt hier eine passive Handlung aus. Der Auszubildende wird ausgebildet – der Student hingegen muss selbst (aktiv) studieren.

Die Grünen zogen ihren Änderungsantrag übrigens schnell wieder zurück. Der ursprüngliche Antrag hingegen fand eine große Mehrheit. Studenten, Auszubildende – und auch Freunde der deutschen Sprache – dürfte dies freuen.

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  1. Heiner Klemp

    Dann bist du gar nicht stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses? Jedenfalls nicht, wenn der gerade nicht tagt? Deine Argumentation scheint nicht ganz schlüssig.

    • Thomas

      “stellvertretender Vorsitzender” bin ich tatsächlich nur, wenn der Ausschuss gerade tagt. “Daniel Langhoff war abwesend. Deshalb übernahm Thomas Ney stellvertretend für ihn den Vorsitz.”

      “Stellvertretender Vorsitzender” bin ich hingegen solange, bis man mich abberuft. “Thomas Ney hat das Amt des Stellvertretenden Ausschussvorsitzenden” inne.

      Vorsitzen kommt nämlich nicht von “vorne sitzen”, sondern von “vorsitzen” (= den Vorsitz in einem Kollektivorgan inne haben). Vorsitzender ist demnach eine Verkürzung von “den Vorsitz innehabende Person”. Deutlicher wird dies in der englischen Übersetzung “chairman” – die Person, der ein bestimmter Chair (Sitz, Vorsitz, Ordanat) zugeordnet ist (to chair = den Vorsitz führen bzw. inne haben).

  2. Ulf

    Gute und sachliche Erklärung der deutschen Sprache.

  3. J. Schnelle

    Nur kurz eine historische Ergänzung (von jemandem, der diese immer modischeren Partizipialkonstruktionen auch ziemlich albern findet): Im preußischen Kultusministerium und auch in den Berliner Universitäten war der Begriff “Studierende” bis in die 30er Jahre gang und gäbe. Das weiß ich, weil ich als Historiker viel mit entsprechenden Unterlagen aus der Zeit gearbeitet habe. Dass man mit solchen Wortformen aber keine “Geschlechtergerechtigkeit” in der Vorstellung des Lesers/Hörers herbeizaubert, hat ja zuletzt auch Gender Studies Prof.ens Lann Hornscheidt mit Verweis auf entsprechende Assoziationsstudien moniert.

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