Der Spiegel hatte im Juni 2014 – im WM-Fieber weitestgehend unbemerkt – einige den BND betreffende NSA-Dokumente aus dem Fundus von Edward Snowden veröffentlicht. Darin geht es auch um die Zusammenarbeit zwischen beiden Geheimdiensten auf dem Gebiet der Kommunikationsüberwachung. Darunter sind auch einige lächerliche technische Ausnahmen an Verbindungen, die nicht von der sogenannten Joint SIGINT Activity erfasst werden sollen. Von diesen wird mein Server – wie viele andere – jedoch nicht erfasst. Damit lassen die Dokumente den Schluss zu, dass auch meine Mails vom BND illegal protokolliert, aufgezeichnet und möglicherweise ausgewertet wurden, obwohl ich deutscher Staatsbürger bin und sich der von mir verwendete Server innerhalb der Bundesrepublik befindet.

Aus diesem Grund habe ich schriftlich nachgefragt, um zu sehen, wie die von BND-Chef Schindler versprochene Transparenzoffensive in der Praxis aussieht.

Hier mein Schreiben:

An:
Bundesnachrichtendienst
Gardeschützenweg 71-101
12203 Berlin

Berlin, den 24. Juni 2014

Datenauskunftsersuchen

Sehr geehrte Damen und Herren,

bitte erteilen Sie mir nach § 7 BNDG, § 15 Abs. 1 BVerfSchG sowie § 19 Abs. 1 BDSG Auskunft zu den folgenden Fragen:

  • Welche personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten über meine Person hat der Bundesnachrichtendienst erlangt, gespeichert und/oder ausgewertet?
  • Hat der Bundesnachrichtendienst über ausländische Nachrichtendienste personenbezogene oder personenbeziehbare Daten zu meiner Person erhalten und/oder wurde dem Bundesnachrichtendienst von ausländischen Nachrichtendiensten ein Zugang zu solchen Daten ermöglicht?
  • Zu welchem Zweck und auf welcher gesetzlichen Grundlage wurden personenbezogene oder personenbeziehbare Daten über meine Person gespeichert und/oder verarbeitet?
  • Wurden Datenverbindungen mit dem von mir verwendeten Server mit der Domain thomas-ney.com, insbesondere E-Mailverkehr, durch den Bundesnachrichtendienst oder mit ihm kooperierenden Stellen protokolliert und/oder aufgezeichnet?
  • An welche Empfänger, insbesondere an welche ausländischen Nachrichtendienste, wurden personenbezogene oder personenbeziehbare Daten zu meiner Person weitergegeben bzw. ein Zugang zu solchen Daten gewährt?

Meiner Anfrage liegt ein besonderes und begründetes Informationsinteresse zur Wahrung meines verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zugrunde (Begründung anbei).

Um eine schriftliche Eingangsbestätigung wird gebeten. Ferner erbitte ich mir Auskunft bis einschließlich 25. Juli 2014. Sollte Ihnen eine Auskunft bis zum genannten Datum nicht möglich sein, so bitte ich um eine schriftliche Begründung nebst Nennung einer zeitlichen Frist zur Beantwortung meiner Anfrage.

Mit freundlichen Grüßen…

Dem Schreiben beigefügt habe ich eine amtlich beglaubigte Kopie meines Personalausweises, sowie folgende Begründung meines Informationsinteresses:

Begründung des besonderen Informationsinteresses zum Auskunftsersuchen vom 24. Juni 2014

Nach aktuellen Medienberichterstattungen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel hat der Bundesnachrichtendienst im Zuge einer „Joint SIGINT Activity“ (JSA) mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) auf dem Gebiet der Fernmeldeüberwachung kooperiert.1

In einer weiteren Veröffentlichung des Nachrichtenmagazins Der Spiegel sind technische Beschränkungen der JSA näher dokumentiert. Demnach sind von dieser lediglich einige regionale Top-Level-Domains (TLD) sowie eine Liste ausgewählter Domainnamen ausgenommen.2

Die Adresse des von mir seit dem Jahr 2004 zur E-Mailkommunikation verwendeten Servers ist in diesen Einschränkungen offenkundig nicht eingeschlossen, da weder die TLD meines Servers (.com) noch die vollständige Domain meines Servers (thomas-ney.com) von den genannten Einschränkungen erfasst wird. Es besteht daher der begründete Verdacht, dass Kommunikationsverbindungen von und mit meinem sich in Deutschland befindlichen E-Mailserver vom Bundesnachrichtendienst oder mit ihm kooperierenden Stellen überwacht und gespeichert wurden.

Ein besonderes Interesse ist dadurch gegeben, dass über den genannten Server persönliche Kommunikationsvorgänge, die den Kernbereich meiner privaten Lebensgestaltung umfassen, abgewickelt werden. Darüber hinaus wird der genannte Server für besonders geschützte Kommunikationsvorgänge – etwa mit Rechtsanwälten und behandelnden Ärzten – genutzt.

Die Auskunftserteilung ist zur Durchsetzung des Schutzes meiner verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechte, insbesondere zur Wahrung meines Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung erforderlich.

1 Vgl. Veröffentlichung des Spiegel: Bericht über die NSA-BND-Kooperation Joint SIGINT Activity (JSA), URL: http://www.spiegel.de/media/media-34022.pdf.
2 Vgl. Veröffentlichung des Spiegel: Einschränkungen für die im JSA durchgeführte technische Aufklärung, URL: http://www.spiegel.de/media/media-34024.pdf.

Selbstverständlich erwartete ich in der Sache keine befriedigende Antwort. Dennoch war mir das Schreiben wichtig, um zu zeigen, dass ich großen Wert auf die Einhaltung meiner Grundrechte lege.

Das ging offensichtlich auch anderen so. Denn etwa zeitgleich zu meinem Schreiben tauchte im Internet der Service ueberwacht-mich-nicht.de nach einer Idee von Holger Köpke auf. Mit diesem Generator kann man den BND auffordern, in die Liste nicht überwachter E-Mailadressen und Domains aufgenommen zu werden. Doppelt hält bekanntlich besser, weshalb ich zusätzlich zu meinem Schreiben auch diesen Dienst in Anspruch nahm.

Knapp einen Monat später erhielt ich hierauf (wie andere auch) vom BND folgende Standard-Antwort per E-Mail:

Von: BND <zentrale@bundesnachrichtendienst.de>
Betreff: Re: Überwachung meines Internetverkehrs

Sehr geehrter Herr Ney,

Medienberichte, wonach der Bundesnachrichtendienst Telekommunikationsdaten, die er nicht erheben darf, lediglich an Hand der Top-Level-Domain ‘.de’ identifiziere, treffen nicht zu. Um sicherzustellen, dass keine unzulässige Telekommunikationsdatenerhebung stattfindet, bedient sich der Bundesnachrichtendienst eines mehrstufigen, komplex und aufwändig gestalteten und ständig fortentwickelten Filterungsprozesses.

Ihre Besorgnis, allein aufgrund Verwendung einer anders als auf ‘.de’ endenden Domain bzw. aufgrund der Nutzung von Mailprovidern, die nicht in Deutschland registriert sind, vom Bundesnachrichtendienst ‘überwacht’ zu werden, ist daher unbegründet.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Janus Dalin
Bundesnachrichtendienst

Nun hatte ich immerhin schriftlich, dass meine Sorgen unbegründet seien. Weg waren sie damit trotzdem nicht. Insbesondere, weil die Tarnidentität Janus Dalin vom BND in der Vergangenheit bereits schon einmal zum Abschmettern von Informationsersuchen genutzt worden war.

Im Prinzip war damit auch meine schriftliche Anfrage beantwortet. Zu meiner Überraschung erhielt ich jedoch am 24. September 2014, drei Monate nach meinem Brief, folgende Antwort per Post:

Sehr geehrter Herr Ney,

zunächst bitte ich Sie höflich, die verzögerte Beantwortung Ihres Anliegens zu entschuldigen.

Mit Schreiben vom 24.06.2014 teilten Sie Ihre Besorgnis mit, auf Grund der Verwendung einer anderen Top-Level-Domain als „.de“ eine Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst erfolge. Dazu erlauben Sie mir bitte folgende Antwort:

Medienberichte, wonach der Bundesnachrichtendienst Telekommunikationsdaten, die er nicht erheben darf, lediglich an Hand der Top-Level-Domain „.de“ identifiziere, treffen nicht zu. Um sicherzustellen, dass keine unzulässige Telekommunikationsdatenerhebung stattfindet, bedient sich der Bundesnachrichtendienst eines mehrstufigen, komplex und aufwändig gestalteten und ständig fortentwickelten Filterungsprozesses, dessen Einzelheiten der Geheimhaltung unterliegen. Ihre Besorgnis, allein aufgrund Verwendung einer anders als auf „.de“ endenden Domain bzw. aufgrund der Nutzung von Mailprovidern, die nicht in Deutschland registriert sind, vom Bundesnachrichtendienst „überwacht“ zu werden, ist daher unbegründet.

Ferner baten Sie um Mitteilung, welche personenbezogenen Daten im Bundesnachrichtendienst zu Ihrer Person vorliegen.

Der Bundesnachrichtendienst erteilt dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über zu seiner Person gespeicherte Daten gemäß § 7 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) in Verbindung mit § 15 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG), soweit dieser auf einen konreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Auskunftsinteresse darlegt. Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nicht.

Zwar ist die Darlegung der Anspruchsvoraussetzung in Ihrem Schreiben sehr kursorisch, aber bei wohlwollender Auslegung kann sie als erfüllt betrachtet werden. Deshalb wurde eine entsprechende datenschutzrechtliche Prüfung durchgeführt. Als deren Ergebnis teile ich Ihnen mit, dass zu Ihrer Person keine Daten gespeichert sind.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Auskunft behilflich gewesen zu sein.

Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Bundesnachrichtendienst, Heilmannstr. 30, 82049 Pullach einzulegen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

[Unterschrift Bergfeld]

Selbstverständlich wird es auch diese Frau Bergfeld nicht geben – das schließe ich aus der lehrbuchhaften Unterschrift.* Und natürlich war auch diese Antwort sinngemäß zu erwarten. Dennoch enthält sie einige kleine bemerkenswerte Hinweise. Zum einen scheinen zumindest so viel Personen entsprechende Anfragen gestellt zu haben, dass im BND zur Beantwortung Textbausteine verwendet werden. Das ist ein gutes Zeichen. Vermutlich hat sich auch jemand mehr Details zum Filtervorgang erbeten, da der entsprechende Textabschnitt zwischen der E-Mail und der schriftlichen Antwort um den Hinweis auf die Geheimhaltung ergänzt wurde. Drittens ist meine Datenauskunftsersuchen immerhin inhaltlich bearbeitet worden. Das klingt selbstverständlich, ist es aber keineswegs. Wer sich etwas näher mit derartigen Anfragen beschäftigt hat, wird feststellen, dass diese meistens abgewiesen werden, weil eine mögliche persönliche Betroffenheit angeblich nicht hinreichend belegt wurde. Hier liegt in der Praxis die kaum nehmbare Hürde. Als Betroffener verfügt man gegenüber dem BND (und anderen Geheimdiensten) über keinerlei Waffengleichheit. Informationen zur Arbeit der Geheimdienste unterliegen in den allermeisten Fällen der Geheimhaltung. Sofern sie – wie bei den Snowden-Enthüllungen geschehen – öffentlich gemacht werden, wird deren Authentizität in der Regel bestritten oder der Inhalt mit Verweis auf mangelnde eigene Erkenntnisse bestritten. Auch verfügt man als Betroffener selbstverständlich nicht über derart umfangreiche technische und vor allem juristische Eingreifmöglichkeiten um tatsächliche Maßnahmen selbst belegen zu können. Dennoch waren die Darlegungen in meinem Schreiben offensichtlich hinreichend. Entgegen des Antworttextes hätte es dafür vermutlich auch keiner wohlwollenden Auslegung bedurft, denn andernfalls wäre die Prüfung vermutlich gar nicht durchgeführt worden. Ein Rechtsanspruch auf Datenauskunft besteht allerdings generell nur für personenbezogene Daten. Der Großteil des Datenverkehrs im Internet erfüllt die hierfür notwendigen Kriterien nicht, da sie etwa über die IP-Adresse nur einem Internetanschluss oder Endgerät, nicht aber einer einzelnen Person zugeordnet werden können (auch wenn diese meist nur von einem sehr überschaubaren Kreis an Nutzern verwendet werden). Erst wenn diese (mit hoher Wahrscheinlichkeit personenbeziehbaren) Informationen tatsächlich einer bestimmten natürlichen Person zugeordnet werden, handelt es sich um personenbezogene Daten. Deshalb erfolgt diese Zuordnung meist erst zu einem späteren Zeitpunkt und nur im konkreten Bedarfsfall. Nur weil bei einer Behörde oder einem Unternehmen keine personenbezogenen Daten zu einer Person gespeichert sind, bedeutet dies nicht, dass diese über gar keine Daten zur Person verfügen, sondern nur dass keine eindeutige Zuordnung möglich bzw. tatsächlich erfolgt ist. Insofern ist auch die Antwort des BND vermutlich korrekt. Und falls sich durch irgendeinen historischen Zufall doch einmal das Gegenteil herausstellen sollte, so habe ich zumindest schwarz auf weiß, dass ich belogen wurde.

* Update: Diese Vermutung scheint sich inzwischen auch bewahrheitet zu haben. So erhielt der Journalist Richard Gutjahr eine ähnliche Antwort mit identischer Unterschift. [↑]

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